Rund 100 Nutztierpraktiker*innen folgten am Dienstag, dem 12. November 2024 der Einladung der Tierärztekammer nach Ansfelden, um gemeinsam über die Zukunft der Nutztierpraxis in Österreich zu diskutieren. Durch die Veranstaltung führte ÖTK-Zukunftstalk Moderator Gerald Groß.
Eingangs gab Präsident Mag. Kurt Frühwirth Einblicke in die Ergebnisse der ÖTK-Onlineumfrage zur Zukunft der Nutztierpraxis, die im August und September 2024 durchgeführt wurde. Die Umfrage, die sich an die durch schnittlich 700 Nutztierpraktiker*innen Österreichs richtete, haben 279 Teilnehmer*innen beantwortet (Rücklaufquote: rund 40%).
Chefveterinär und Sektionschef im BMSGPKDr. Ulrich Herzog ging in seinem Vortrag auf die aktuellen Entwicklungen u.a. im Hinblick auf die Tierseuchenentwicklung in Europa ein und zeigte auf, welche Maßnahmen es im zukünftigen Regierungsprogramm für das Veterinärwesen brauche. Die Themen reichten vom Tierschutz, zur Tiergesundheit und dem Tierarzneimittelwesen, zur tierärztlichen Versorgung bis hin zu den Kontrollen entlang der Lebensmittelkette.
HR Dr. Gottfried Schoder, Geschäftsführer TGD-Oberösterreich berichtete über die zukünftige(n) Rolle(n) der TGD’s und stellte sich der Diskussion über die Tiergesundheitsdatenbank AHDS sowie den künftigen Entwicklungen des/der Nutztierpraktiker*in. Einen Rückblick auf drei Jahrzehnte Nutztierpraxis bot ÖTK-VizepräsidentMag. Dietmar Gerstner, der auch persönliche Einblicke in seine tägliche Arbeit als Großtierpraktiker gab. Den Strukturwandel in der Landwirtschaft und damit auch die prekäre Situation in der Nutztierpraxis zeigte der Landesstellenpräsident aus Vorarlberg Dr. Robert Griss auf. In seinem Bundesland gäbe es aktuell 24 Tierärzt*innen, die derzeit rund 64.000 Rinder betreuen, wobei 9 Tierärzt*innen in zwei bis vier Jahren das Pensionsalter erreichen würden. Weder Nachfolger*innen noch Praxisübernahmen seien in diesen Praxen in Aussicht und aktuelle Pensionierungen würden derzeit ohnedies nicht nachbesetzt werden können.
Als mögliche Lösung wurden Gruppen- oder Gemeinschaftspraxen ins Treffen geführt, dazu meinte VR Dr. Walter Obritzhauser, Landesstellenpräsident Steiermark: „Es ist immer abhängig von den regionalen Gegebenheiten und den entsprechenden Verdienstmöglichkeiten, ob dieses Modell für die Kolleg*innen in Frage kommt. Hier gibt es gebietsweise doch auch Unterschiede.“
Im Anschluss an die Vorträge hatte das Publikum die Möglichkeit mit den Podiumsvertreter*innen zu diskutieren. Die beiden Nutztierpraktiker*innen Mag. Agnes Stanek der Tierarztpraxis Entenfellner und Mag. Maria Winkler der Tierarztpraxis Schenkenfelden hoben in ihren Statements hervor, dass der Großtierbereich immer weiblicher werde und dass es entsprechender struktureller Veränderungen im Beruf, flexibler Arbeitsbedingungen und einem gesellschaftlichen Wandel bedürfen würde. Die Vereinbarkeit von Job und Familie sei immer noch eine Sache der Frauen und dies sei stark vom Angebot an Kinderbetreuungsplätzen, Pflegeeinrichtungen, der örtlichen Gesundheitsversorgung und entsprechender Infrastruktur abhängig.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Nutztierpraxis in Österreich ein heterogenes Bild zeigt und topografisch benachteiligte ländliche Regionen mit zahlreichen Herausforderungen in der flächendeckenden tierärztlichen Versorgung konfrontiert sind. In allen Sparten dominieren kleine Praxisstrukturen. Problematisch seien dabei die zu geringen Verdienstmöglichkeiten, wodurch mehrere Standbeine wie eine TGD-Tätigkeit, Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie das Führen einer zusätzlichen Kleintierpraxis notwendig seien um ein ausreichend hohes Einkommen zu erzielen. Auch der drastische Rückgang der Besamungen und die steigende Bürokratiebelastung wurden als negative Veränderungen hervorgehoben.
Gemischte Meinungen gab es zu staatlichen Förderungen, die auch negativen Auswirkungen mit sich bringen würden. Die Nachfolgeproblematik werfe Fragen zur Zukunft der Nutztierpraxis auf, insbesondere in Hinblick auf den Erhalt und die Weiterführung bestehender Praxen. Nur durch eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Nutztierpraxis und eine Auseinandersetzung mit dem aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel bzw. proaktiven Gestaltung der Zukunft könne man die Nutztierpraxis realisieren.
Mag. Silvia Stefan-Gromen
Link: Analyse zur Online-Umfrage: „Zukunft der Nutztierpraxis in Österreich“, erschienen im Vetjournal 10/2024